Empfehlung – Überbringung einer Todesnachricht
Einleitung
Wir als Verein haben uns entschlossen in gewissen Abständen Empfehlungen für Einsatzkräfte herauszugeben. Diese Empfehlungen berufen sich auf die fachlichen Grundlagen der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) sowie auf die gesammelten Erfahrungen unserer Mitglieder.
Jede Empfehlung wurde im Team erarbeitet und spiegelt die Meinung unseres Vereins zu der Thematik wieder.
Unser Ziel ist es, den Einsatzkräften eine kleine Hilfestellung zu geben, wie sie mit bestimmten schwierigen Situationen umgehen können und wie die Zusammenarbeit zwischen Einsatzkräften sowie Krisenintervention und Notfallseelsorge optimiert werden kann.
Wir möchten darauf hinweisen, dass es sich hierbei nur um eine Empfehlung handelt.
Überbringen einer Todesnachricht – Wann ist KIT und NFS sinnvoll?
In der Regel wird eine Nachricht über unklare oder nichtnatürliche Todesursache durch die Polizei überbracht. Häufig stellt sich für die überbringenden Polizeibeamten die Frage, ob eine Mitnahme von KIT oder NFS sinnvoll sei.
Wir als Verein sprechen uns klar und deutlich dafür aus, dass bei jeder Überbringung einer Todesnachricht die Krisenintervention/Notfallseelsorge hinzugezogen wird. Die Reaktionen der Angehörigen sind im Vorfeld nur schwer abzuschätzen und auch anhand der Meldung ist es nicht möglich, detaillierte Rückschlüsse auf die Beziehung zwischen Verstorbenen und Angehörigen zu ziehen. Hier sollte die Alarmierung lieber einmal mehr als zu wenig erfolgen.
Leider erleben wir es gelegentlich, dass die Polizei erst einmal ohne KIT/NFS zu den Angehörigen fährt und die Todesnachricht überbringt. Eine Begründung, dass zunächst geschaut werden soll, wie die Betroffenen die Nachricht aufnehmen, können wir nachvollziehen. Dennoch ist zu berücksichtigen, dass im Falle einer Nachalarmierung von KIT/NFS erst verzögert mit einer Intervention unsererseits begonnen werden kann. Dies erschwert einen schnellen und guten Zugang zu den Betroffenen.
Wir als Mitglieder haben rund um die Uhr Bereitschaft und fahren lieber einmal mehr hinaus als zu wenig. Des Weiteren können wir bereits im Vorfeld alle für uns wichtigen Details mit der Polizei besprechen und ggf. organisieren. Hierzu verwenden wir eine Checkliste.
Vorbereitung – Überbringung einer Todesnachricht
Kommt es zu einer Anforderung bedarf dies einer guten Vorbereitung (siehe Checkliste). Hier ist es uns wichtig, sich entweder auf dem zuständigen Revier oder etwas abseits der Wohnung zu treffen und gemeinsam abzustimmen. Wir dürfen keine Todesnachrichten mit unklarer oder nicht natürlicher Todesursache überbringen. Dies ist Aufgabe der Polizei.
Wir kommen in der Regel völlig unerwartet zu den Angehörigen, betreten deren Wohnung und übermitteln eine Nachricht, die wohl mit das Schlimmste beinhaltet, was ein Mensch erfahren kann. Wir kommen als Fremde und in dem konkreten Fall ist leider der Polizist, der seiner Pflicht nachkommt, derjenige, der diese schlechte Nachricht überbringen muss. Deshalb sollte derjenige, der die Todesnachricht überbringt, nie derselbe sein, der auch die Betroffenen im Anschluss betreut. Wir sprechen hier von der Schaffung zweier Ebenen – der „negativen“ Person, welche die Nachricht überbringt und der „positiven“ Person, welche sich anschließend um die Betroffenen kümmert.
Durchführung – Überbringung Todesnachricht
Häufig stellt sich die Frage, wie eine Todesnachricht richtig überbracht werden kann. Grundsätzlich muss man sagen, dass es kein „Richtig“ gibt. Egal wie man es formuliert, die Nachricht ist immer schrecklich. Dennoch gibt es ein paar kleine Hilfestellungen die beachtet werden sollten.
Nachdem die Identität der Angehörigen geklärt wurde, sollte sich umgehend mit den Betroffenen in die Wohnung begeben werden. In einem geeigneten Raum (Sitzmöglichkeiten) sollte zunächst erfragt werden, ob sich weitere Personen im Haushalt befinden. Dies bezeichnen wir als Setting, welches wir als KIT/ NFS der Polizei anbieten zu übernehmen. Somit kann sich die Person auf das Überbringen der Nachricht konzentrieren. Während des Settings ist es wichtig, den Angehörigen zu vermitteln, dass jetzt gleich eine sehr schlimme Nachricht ausgesprochen wird. In dieser kurzen Zeit versuchen wir einen Rahmen zu schaffen, welcher es den Betroffenen ermöglicht, sich etwas darauf vorzubereiten.
Die Nachricht sollte immer direkt und ohne Umschweife überbracht werden. Es sind Worte, die sich einprägen und das Wort Tod sollte vorkommen. Es sollten keine Formulierungen benutzen werden, welche Spielraum lassen, wie zum Beispiel: „Ihr Sohn hatte einen schweren Unfall.“.
Nur wenn die Nachricht direkt und persönlich überbracht wird, haben die Betroffenen unmittelbar die Möglichkeit, sich damit auseinanderzusetzen und es realisieren zu können.
Aufgabe nach der Überbringung – Reaktionen
Nachdem die Todesnachricht überbracht wurde folgen die unterschiedlichsten Reaktionen von Betroffenen. Zum Beispiel: Lautes Schreien, Weinen bis hin zu völliger Stille und Fassungslosigkeit, nicht wahrhaben wollen, zu schnelles Atmen.
Gelegentlich tritt nach dem Überbringen einer Todesnachricht Stille ein, der Betroffene sagt nichts und wirkt relativ gefasst. Häufig passiert es, dass dies seitens der Einsatzkräfte so interpretiert wird, als ob die Person mit der Situation relativ gut zurechkommt. Dem ist in der Regel leider nicht so. Häufig liegt die Ursache darin, dass die Betroffenen die Situation noch nicht ausreichend realisiert haben und sich entsprechend vor der Wahrheit schützen wollen.
Jede Reaktion auf solch eine Nachricht ist individuell. Der Angehörige hat das Recht, seine Art der Trauer, seine Art des Verhaltens auf diese schlimme Nachricht zu äußern. Jeder Mensch ist in solchen Situationen anders und diese Reaktionen können in der Regel nicht kontrolliert werden. Wir sprechen hier von normalen Reaktionen auf ein unnormales Ereignis. In solch einer Situation kann niemand etwas tun, damit diese Reaktionen nicht auftreten oder gelindert werden. Hier heißt die Devise abwarten, akzeptieren und die Emotionen aushalten.
Manchmal kommt es vor, dass aufgrund der heftigen Reaktionen ein Notarzt alarmiert wird. Ist dieser nach 10-15 Minuten eingetroffen, hat sich der Betroffene meistens schon wieder etwas beruhigt. Deswegen raten wir davon ab, voreilig notfallmedizinische Hilfe anzufordern. Problematisch sind Reaktionen, bei denen sich der Betroffene selbst oder andere gefährdet. Hier muss eingeschritten werden. Sollte es zu massiven Kreislauf-problemen kommen ist ein Notarzt zu alarmieren. Wir empfehlen, nach dem Überbringen einer Todesnachricht mindestens 30 Minuten zu warten. Sollte sich der Betroffene trotz fachlicher Betreuung in dieser Zeit nicht stabilisiert haben, ist es indiziert, Unterstützung zu holen. Wie diese aussieht ist immer individuell. Wichtig ist, dass der Betroffene nicht allein gelassen wird.
Unsere Aufgabe besteht darin, den Betroffenen eine Unterstützung anzubieten und unser erlerntes Wissen anzuwenden. Hier ist es aber eine Illusion zu denken, dass wir in der Lage sind, die Situation weniger schlimm zu machen oder dass die Reaktion der Betroffenen auf die Nachricht weniger „schlimm“ ausfällt. Wir sind in dem Moment als Mensch und fachliche Unterstützung für die Menschen in der schwierigen Situation da.
Umgang mit Kindern
Bei jeder Überbringung einer Todesnachricht sollte sich im Vorfeld vergewissert werden, ob sich weitere Personen im Haushalt befinden. Ein besonderes Augenmerk sollte hier bei den Kindern liegen.
Es gibt kein Patentrezept dafür wann es sinnvoll ist, Kinder oder Jugendliche in das Überbringen zu integrieren. Diese Entscheidung muss immer individuell erfolgen. Das bedeutet, dass beurteilt werden muss, unter welchen Umständen der Verstorbene ums Leben gekommen ist und ob es „zumutbar“ ist, dem Kind/Jugendlichen dies direkt mit-zuteilen.
Eine Empfehlung besagt, dass Kinder bis 14 Jahre beim offiziellen Überbringen einer Todesnachricht nicht dabei sein sollten. Zum einen kann so offen und ehrlich über die Umstände gesprochen werden. Zum anderen können die Eltern des Kindes so akut ihrer Trauer freien Lauf lassen und müssen diese aufgrund der Anwesenheit eines Kindes nicht primär unterdrücken.
Bei Kindern über 14 Jahre sollte also individuell entschieden werden, ob es sinnvoll ist, diese direkt einzubeziehen.
Sind Kinder im Haus sollte eine Person die direkte Betreuung der Kinder übernehmen, bis die Eltern in der Lage sind, ihren Kindern die Umstände mitzuteilen.
Abschluss
Wir hoffen, mit dieser Empfehlung eine kleine Hilfestellung geben zu können und stehen gern für weiteren Austausch zu Verfügung.
Sie erreichen uns unter kontakt@kit-dresden.de.
Diese Empfehlung zum Download finden Sie hier: Empfehlung.